Elena Gorokhova – Russisches Tattoo

Russisches TattooBeschreibung
Mit nichts als einem Koffer kommt Lena aus Leningrad in den USA an. Ein Leben ohne mütterliche (und staatliche) Kontrolle scheint zum Greifen nah. Doch die lange ersehnte Freiheit hat ihre Tücken –  der Kulturschock trifft sie mit voller Wucht. Scharfsinnig und unterhaltsam reflektiert die Autorin, was es bedeutet, sich in einer fremden Sprache neu zu erfinden und sich in einer neuen Welt zurechtzufinden. Nach und nach fasst sie Fuß in der amerikanischen Gesellschaft, arbeitet und heiratet. Als ihre Tochter Sascha geboren wird, reist Lenas Mutter aus der Sowjetunion an – und bleibt!

Voller Komik, Sensibilität und Sprachwitz schildert Elena Gorokhova die Suche nach ihrer Identität zwischen der amerikanischen Erziehung ihrer Tochter und den Vorstellungen ihrer sowjetisch geprägten Mutter, eine Suche mit allen liebevollen und kämpferischen Facetten des Mutter-Tochter-Konflikts über drei Generationen.

„Ich glaube, die Seele eines Emigranten ist in zwei Hälften geteilt. Eine weilt dort, wo man gerade lebt, die andere ist an dem Ort geblieben, an dem man geboren ist.“ (E.G.)

Sprecher
Anne Weber

Länge
9 h 52 m

Meine Meinung
Das Hörbuch „Russisches Tattoo“ beginnt mit Elenas Einreise in die USA. Sie freut sich auf ein neues, freies Leben und muss sehr schnell feststellen, dass sie sich in dieser Hochglanz- und Wegwerfgesellschaft völlig fehl am Platz fühlt. Sie kommt zunächst überhaupt nicht zurecht. Ihr Mann ist ihr dabei leider auch keine große Hilfe. Ich hätte ihm während des Hörens gerne ab und an auf die Sprünge geholfen, denn ein erklärendes Wort hier, eine kleine Information da, wären für Elena ganz sicher sehr hilfreich gewesen. Aber gut, dieser Ehemann war ja halt auch kein „echter“ Ehemann – meine Sympathie hat er jedenfalls ab Elenas Einreise in die USA nicht mehr gehabt. Die hat er sehr schnell verspielt. Fand ich ihn im ersten Teil noch bewundernswert, verkam er hier sehr schnell zum typischen Buben, der unbedingt ein exotisches Spielzeug haben wollte, doch dann schnell das Interesse daran verlor. Schwierig war das natürlich für Elena. Denn sie war ja keine Puppe, sondern ein Mensch mit Leib und Seele, mit Gefühlen und einem ganzen Sack voller Hoffnungen und Vorstellungen. Und schwupp war alles auf einen Schlag verpufft. Ich habe sehr mit ihr gelitten. Als ihr Mann sie dann auch noch für einige Monate einfach zu seiner Mutter abschob, wollte ich ihn wirklich killen.

Doch wie sich herausstellte, war das das Glück für Elena. Denn hier lernte sie einen Mann kennen, der sie wirklich liebte und sie auch verstand. Natürlich wurde deshalb nicht alles schlagartig leichter, aber sie erfuhr hier wesentlich mehr Hilfe und auch Verständnis. Und als ich gerade dachte: Wie schön, jetzt wird doch endlich alles gut für Elena, wird sie schwanger, reist ihre Mutter in die USA und bleibt! Na toll. Aus der Traum von der kompletten Abnabelung. Dass es also wieder schwierig für Elena wurde, kann man sich vorstellen. Doch mehr will ich nicht verraten.

In diesem Hörbuch hat mich besonders die innere Zerissenheit Elenas ergriffen. Denn einerseits wollte sie einfach nur in einem freien Land glücklich sein, doch das war für sie so verdammt schwierig, mit so vielen Hürden gespickt, so dass auch immer wieder Zweifel hochkamen, ob ihre Entscheidung wirklich richtig war. Das Hörbuch erzählt ja viele Jahre ihres Lebens – und doch ist ihr Herz immer noch zweigeteilt: Zwischen ihrer Heimat von damals und ihrer Wahlheimat USA. Ich glaube, darüber machen sich die wenigsten Menschen Gedanken, die über die ganzen Flüchtlinge schimpfen. Und letztere hatten ja nun wirklich kaum eine Wahl, wenn sie überleben wollen.

Wenn ich jetzt Teil 1 „Goodbye Leningrad“ und Teil 2 „Russisches Tattoo“ Revue passieren lasse, dann komme ich zu dem Schluss, dass diese beiden Hörbücher, die das Leben von Elena Gorokhova erzählen, unbedingt auf meine Bestenliste gehören. Denn ihre Geschichte hat mich derart tief berührt, dass sie noch sehr lange in mir nachwirken wird. Gerade weil es eben eine Autobiographie und keine erfundene Geschichte ist. Eben weil hier die Erfahrungen eines Menschen erzählt werden, der sehr viel auf sich genommen hat, um ein authentisches Leben führen zu können. Und dann kommt natürlich auch hinzu, dass Elena Gorokhova sehr gut erzählen kann. Wie schon im ersten Teil, versteht sie es auch in der Fortsetzung ihre Geschichte lebhaft, humorvoll und absolut kurzweilig zu beschreiben. Ich bin ein Fan von dieser Frau geworden.

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Mein herzlicher Dank für das Rezensionsexemplar geht an den BONNEVOICE Hörbuchverlag.

Siehe auch: